Moralgebra

Die wenigsten wissen, dass seit dem Wintersemester 2001 der Lehrstuhl fuer boolesche Sittsamkeits-Arithmetik am Hermann-Loenss-Institut fuer angewandte Sprachwissenschaften unbesetzt ist.

Dabei erfreuten sich die Kurse in diesem besonderen Grenzgebiet der Anstands-Mathematik besonderer Beliebtheit unter den Studenten, welche die Vorlesung des verschiedenen Prof. Dr. Ibelsquash liebevoll "Moralgebra" tauften.

Ibelsquash berechnete als führender Binär-Moralist der Neuzeit, dass der bereits in der Antike entdeckte Gut-Boese Dualismus und die daraus entwickelte Gut-Boese-Ungleichung nur eine einzige Loesung zulaesst,
die aber immer nur entweder sinnvoll sein kann, oder ausformuliert, niemals aber beides.

Das heisst nicht, dass die Loesung unsinnig und unaussprechlich ist. Sie besitzt tatsaechlich sowohl die Eigenschaft "Sinnhaftigkeit" und "Formulierbarkeit", beides unbedingte Qualitaeten einer erfolgreichen wissenschaftlichen Theorie, nur eben nicht zur gleichen Zeit.

Weil es keinen Sinn macht eine nicht sinnvolle Loesung auszuformulieren, und sich die Loesung im Zustand der Sinnfuelle nicht ausformulieren laesst, bedient sich Ibelssqaush des Konjunktivs, um seine Beobachtungen zu beschreiben:

Waere ein Wissenschaftler in der Lage, die einzige Loesung des Gut-Boese-Ungleichung zu beschreiben, stellte er schliesslich fest, dass sich die Welt tatsaechlich in genau zwei Lager aufspaltet. Aufgrund eines Basiskonzeptes der Moral-Physik, dem Ibelsquash-Dilemma, waere er aber nicht in der Lage, die folgende ueberfaellige Feststellung darueber sinnvoll zu Papier zu bringen:

Es gaebe fuer ihn nur zwei Kathegorien von Menschen: Heilige Superintellektuelle und abgrundtief verdobene Idioten. Eine dritte Kathegorie, unbedeutende Normalos etwa, gaebe es nicht.

Weil Superintellektuelle, dazu zaehlen Performance-Kuenstler, Jazztrompeter und Hochschulprofessoren, aber zu bescheiden sind, sich selbst als heilig zu proklamieren und Verdorbenheit hingegen die Angewohnheit mit sich bringt, die eigene Dummheit abzustreiten, laesst sich niemand finden, der diese loesung der kosmischen Ethik-Ungleichung aufzustellen wagt.

Beide Lager stimmen nur darin ueberein, dass sie der Ansicht sind, die Welt ginge den Bach runter. Uneinig sind sie hingegen, wo der Bach muendet.

Ibelsquash starb im stolzen Alter von 85 Jahren bei einem Angelunfall. Beim Lachsfischen kenterte sein Boot in einem Quellstrudel.

 

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